Third Mission: Die Wissenschaftlerinnen Lucile Dreidemy und Ruth Wodak stellen ihre Forschungsergebnisse in ungewöhnlichem Rahmen vor. Gemeinsam mit Marlene Nowotny (Moderation) legen sie die Grundlage für einen intensiven Austausch mit der Zivilgesellschaft. Denn, wenn es um die Demokratie geht, müssen alle mitsprechen können.
Die Linguistin Ruth Wodak sieht Jörg Haider in den 1990ern in seiner Rolle als Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs als Auslöser in der Veränderung der politischen Kommunikation. Stark rassistische Bemerkungen, Diskursverschiebungen, Normalisierungen – ein Schritt vom Rand in die Mitte wurde getan. Das Bild, das der FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl von der Zukunft Österreichs zeichnet, ist das einer „Festung Österreich“ – Zäune, Abschottung, keine Fremden, „echte Österreicher“ sind erwünscht. Koalitionen mit der FPÖ machen diese Politik salonfähig. Die ÖVP spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Historikerin Lucile Dreidemy vergleicht die aktuellen Entwicklungen mit dem historischen Kontext, speziell den 1920er/1930er Jahren. Auch hier geht eine Gefahr nicht nur von rechten Parteien aus, sondern schon, wenn sich Parteien der Mitte politisch neu ausrichten. Bereits in den 1920er Jahren wählte die christlich-soziale Partei den Weg nach rechts. Eine Tendenz zeigt sich, bürgerliche Parteien radikalisieren sich. Auf welche Kompromisse lassen sich Parteien in Koalitionen heute wie damals ein? Welche Parteien können Koalitionen gegen rechtsgerückte Parteien schmieden und damit einen anderen Weg bestimmen?
Nach den Eingangsstatements diskutieren die Teilnehmenden intensiv und durchaus dissensorientiert zu folgenden Aussagen:
- Wenn das Vertrauen in den Staat schrumpft, verändert sich das Wahlrecht.
- Die Entwicklungen bereiten mir Sorgen.
- Die Bedürfnisse aller Menschen in Österreich werden im Parlament repräsentiert.
Gedanken dazu:
- Der Vertrauensverlust in die Politik ist sehr groß. In diesem Zusammenhang müssen die Auswirkungen der Pandemie und politische Entscheidungen (Debakel Impfpflicht) erforscht werden.
- Das strenge Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich (ius sanguinis) und damit einhergehend Ausschluss von politischen Prozessen. (30% der in Wien lebenden Personen dürfen nicht wählen.)
- Durch das Wahlrecht hat in Österreich ein Mann im mittleren Alter am Land lebend statistisch gesehen am meisten Stimmgewicht.
- Town Hall Formate in England. Politiker:innen stellen sich direkt den Fragen der Menschen. Politiker:innen müssen ansprechbar sein (sh. KPÖ in Graz und Salzburg) und die Lebensrealitäten von Menschen erkennen.
- Menschen müssen Selbstwirksamkeit erfahren.
- Seit 1999 wählen Menschen Parteien, die programmatisch gegen sie agieren. Wieso?
Wie tragen wir unsere Demokratie in die Zukunft?
- Angriffe gegen Justiz und Menschen erst nehmen.
- Es darf nicht akzeptabel sein, wenn „Andere“ diskriminiert werden. Bei Diskriminierungen im Umfeld (bspw. in den Öffis) nicht zuschauen.
- Gewöhnungseffekt gefährlich.
- Vorsicht beim Medienkonsum – Schlagzeilen, Ablenkung von tatsächlichen Problemen.
- Demokratisierung und soziales Engagement muss immer und nicht nur rund um Wahlen herum stattfinden.
- Demokratie bedeutet Kompromisse, aber auch Streik und Streit sind elementar. Konsens findet man nicht immer.