Praterstern/ Nordbahnhof:
Bis 1918 galt der Nordbahnhof, direkt nördlich vom heutigen Bahnhof Praterstern gelegen, als einer der bedeutendsten europäischen Bahnhöfe. Grund dafür war das hohe Reiseaufkommen von den Kronländern im Osten in die Reichshauptstadt Wien und zurück. Viele nutzen die Reisemöglichkeit aber nur in eine Richtung – aufgrund großer wirtschaftlicher Not immigrierten bis 1914 Menschen – und davon viele Juden - aus Galizien, der Bukowina usw. nach Wien. Davon zeugt auch die unweit gelegene Lembergstraße im Nordbahnhofviertel.
Im Jahr 1865 wurde das alte Bahnhofsgebäude durch einen Prunkbau ersetzt. Gründer und Hauptfinanzier war Salomon Rothschild. Die Statue, die zu seinen Ehren im Bahnhofsgebäude stand, wurde 1938 abmontiert. Sie blieb erhalten und ist als Leihgabe des Technischen Museum Wien heute im Jüdischen Museum Wien zu sehen. Das Bahnhofsgebäude wurde 1945 zerbombt und schließlich 1965 abgetragen.
Nordbahnhofviertel:
Das heutige Nordbahnhofviertel ist ein Stadtentwicklungsgebiet und liegt nördlich der Bahntrasse (Praterstern – Heiligenstadt). Einige Namen im Viertel referenzieren auf das jüdische Leben auf der Mazzesinsel, deren Bewohner:innen oder deren Herkunft. Um einige hier zu nennen:
Jakuv-Lind-Straße, Lembergstraße, Leopold-Moses-Straße, Joseph – Roth- Gasse.
Franziska-Löw-Park (Taborstraße)
Franziska Danneberg Löw (1916 – 1996) stammte aus einer jüdischen bürgerlichen Familie. Kurz vor Kriegsausbruch schloss sie ihre Ausbildung zur Fürsorgerin am Ilse-Arlt-Institut ab und begann für die Israelititsche Kulturgemeinde (IKG) eben im Bereich der Fürsorge zu arbeiten. In den Kriegsjahren setzte sie sich insbesondere für Kinder aber auch alle anderen jüdischen Bewohner:innen, die noch in Wien verblieben waren ein. Zu ihrem Leben und Wirken.
Verklärungskirche Am Tabor:
Eine Tafel angebracht am Kirchengebäude weist auf die Schuld der evangelischen Glaubensangehörigen in dieser Zeit hin, die diese an den Novemberpogromen ebenfalls traf. Die 2009 angebrachte Tafel wurde einige Jahre später mit einem Hakenkreuz beschmiert. Die neue Tafel hält Stand. Pfarrer Pitters beschreibt stellvertretend für die Gemeinde die Rolle der evangelischen Kirche in der NS-Zeit.
Bezirk Brigittenau
1900 wurde die Brigittenau zu einem eigenständigen Bezirk. 1938 war etwa 18% der Bevölkerung hier jüdischen Glaubens. Diese prägten die Straßen, die Sprache, das Leben in der Brigittenau.
Bereits bei der Gründung der Brigittenau als eigenständigem Bezirk im Jahr 1900 wies der neue 20. Bezirk einen hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung auf. Von rund 200.000 Jüdinnen und Juden in Wien lebten 1923 etwa 17.500 Personen in der Brigittenau. Nach der Leopoldstadt, dem Alsergrund und der Inneren Stadt, war der 20. der Bezirk mit dem vierthöchsten Anteil jüdischer Bevölkerung in Wien, vor 1938 waren etwa 18% der Bezirksbevölkerung Jüdinnen und Juden.
Lang vor den Novemberpogromen im Jahr 1938 gab es Angriffe auf die jüdische Bevölkerung, die die jüdische Kultur und Lebensart zurückdrängen wollten. Mit Kriegsende lebten noch 36 Jüdinnen und Juden in der Brigittenau, alle Hinweise auf die jüdische Vergangenheit des Bezirks waren ausgelöscht.
Lauder-Chabad-Campus/ Rabbiner Schmerson Platz
Auf dem Gelände des heutigen Pensioinistenheims „Häuser zum Leben“ und des Laudar-Chabad-Campus, Bildungszentrum der konservativen Glaubensgemeinschaft, stand zwischen 1918 und 1938 ein Kinderambulatorium und Erholungsheim. 1938 ging das Gelände per Gesetz an die SA über. 250 antijüdische Gesetze wurden vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges durchgesetzt. Die Gebäude wurde im Krieg zerstört.
Nach dem Krieg wurde per Restaurationsgesetz das Gelände an die IKG zurückgegeben. Diese hat das Grundstück allerdings Anfang 1970 an die Stadt Wien verkauft, die daraufhin ein Pensionistenheim an eben dieser Stelle errichtete. 1999 wurde die Schule Lauder-Chabad-Campus als eine von drei konservativen jüdischen Schulen in Wien eingeweiht. Der Campus und seine Lehrenden bzw. Schüler:innen werden immer wieder Ziel von antisemitischen Angriffen etwa als 2006 ein Mann eindrang und mit einer Eisenstange die gesamte Einrichtung zerschlug.
Brigittenauer Gymnasium (Karajangasse):
In sowohl Volksschule als auch Gymnasium wurden vor 1938 die sogenannten I-Klassen (Israelitenklassen) eingeführt, die die jüdischen Kinder von den „arischen“ Kindern trennten. Für etwa ein Drittel der Schüler:innen hieß es einen separierten Eingang ins Schulgebäude sowie eigene Klassenräume zu nutzen. Mit dem Schuljahr 1938/39 wurde jüdischen Kindern dann gänzlich der Schulbesuch untersagt.
Im Schulgebäude in der Karajangasse 14 wurde kurz nach dem „Anschluss“ ein sogenanntes Notgefängnis der Gestapo, das als Durchgangslager und Sammelstelle für Verhaftete diente, eingerichtet. Bis zu 1000 Häftlingen befanden sich in einem Klassenzimmer unter ihnen der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky.
Eine 1999 errichtete Gedenkstätte im Keller der Schule zeugt von den Vorgängen. Die Schüler:innen setzen sich heute intensiv mit der Vergangenheit auseinander. Regelmäßig werden neue Ausstellungen, die von den Schüler:innen erarbeitet werden in der Gedenkstätte ergänzt.
Staudingergasse:
Steine des Gedenkens an ein Bethaus in der Staudingergasse 16, Handwerker in der Staudingergasse 14, an das Wohnhaus von Else Feldmann, Autorin des Romans „Löwenzahn“ an der Hausnummer 9 oder einer Gedenktafel initiiert von Schüler:innen an der Hausnummer 6.
Brigittenauer Tempel (Kluckygasse):
Der Brigittenauer Tempelverein bemühte sich schon seit etwa 1860 um die Errichtung eines eigenen Tempels in der Brigittenau. Schließlich wurde im Jahr 1900 in der Kluckygasse eine prunkvolle Synagoge eingeweiht, die zum Zentrum des jüdischen Lebens im Bezirk wurde.
Am 9. November 1938 wurde die Synagoge ausgeraubt, die Heiligtümer geschändet und die gesamte Synagoge in Brand gesteckt.
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Gedenkarbeit und Erinnerungskultur im Forum der Zivilgesellschaft im Memory Lab. Information und Mitarbeit hier.